Kunst-Aktion für AfD-VerbotLandgericht Berlin verbietet Kanzler-Deepfake

Die Künstler:innen vom Zentrum für politische Schönheit dürfen laut dem Berliner Landgericht kein Deepfake-Video des Bundeskanzlers mehr verbreiten. Die Künstlergruppe will sich dagegen wehren.

Kanzler Scholz vor Reichstag
Screenshot des Videos, das die Bundesregierung in sozialen Medien löschen lässt. – Zentrum für Politische Schönheit

Das Landgericht Berlin hat im Rahmen einer einstweiligen Verfügung der Bundesregierung beschlossen: Das Künstlerkollektiv Zentrum für politische Schönheit (ZPS) darf ein Deepfake-Video von Bundeskanzler Olaf Scholz nicht weiter verbreiten. Das generierte Video war eines der ersten, das in Deutschland die Bundesregierung zum Inhalt hatte. Es hatte im vergangenen Jahr eine größere mediale Debatte um Deepfakes ausgelöst.

Das Video – das jetzt nur noch in einem Vortragsvideo (ab Minute 26) zu sehen ist – stand im Kontext der jüngsten Aktion des Künstlerkollektivs zum AfD-Verbot. Im Video hatte das ZPS Bundeskanzler Olaf Scholz einen Verbotsantrag gegen die rechtsradikale AfD in den Mund geschoben. Die Bundesregierung hatte schon bei Veröffentlichung im November 2023 „verärgert“ reagiert. Solche Deepfakes seien kein Spaß, sie schürten Verunsicherung und seien manipulativ, hatte ein Regierungssprecher damals getwittert.

In einem ersten Schritt war die Bundesregierung auf verschiedene Plattformen zugegangen und hatte dort unter Verweis auf das Urheberrecht versucht, das Video sperren zu lassen. Dem waren manche Plattformen nachgekommen.

Als Fake erkennbar

Daraufhin hatten die Aktionskünstler ein leicht verändertes Video auf ihrem YouTube-Kanal hochgeladen, das nicht mehr das Bundeskanzler-Logo nutzte und am Anfang mit einer Einblendung „Politische Schönheit Originals“ versehen war. Es war darüber hinaus mit dramatischer Musik unterlegt, die Lippenbewegungen von Scholz waren nicht synchron. Es war also auch für Laien erkennbar, dass es keine echte Rede vom Bundeskanzler war.

So argumentierte auch Thorsten Feldmann, der Anwalt des Zentrums für politische Schönheit gegenüber dem Gericht. Der Fake sei schlecht und sei sofort von jedermann als solcher zu erkennen. In der Antragserwiderung heißt es weiter:

Sogar der aufgrund seines angeblich maschinenhaften und emotionslosen Auftretens unrichtig als Scholzomat verunglimpfte Bundeskanzler ist in der Lage, seine Lippen synchron zum Gesprochenen zu bewegen. Daran krankt das streitgegenständliche Video. Kein vernünftig denkender Mensch kommt auf die Idee, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Video um einen echten Scholz handelt.

„Nicht zulässig“

Das Berliner Landgericht folgte dieser Argumentation nicht – es sieht in dem Video eine „Zuordnungsverwirrung“. Die „Bereitstellung der Videos auf einem gängigen Videoportal“ eröffne ein sehr breites Publikum, das nicht erkennen könne, von wem das Video stammt. Laut dem Berliner Landgericht sei die gesamte Gestaltung des Videos darauf ausgerichtet, wie eine offizielle Regierungserklärung zu wirken.

Diese Zuordnungsverwirrung ergebe sich alleine aus dem Inhalt und der Tatsache, dass dem Bundeskanzler im wahrsten Sinne „Worte in den Mund gelegt wurden“, die dieser niemals tätigte, so das Gericht weiter. Dem Video fehle insgesamt eine künstlerische Anmutung oder eine satirische Überspitzung, die die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung verhindern würde.

Weiter heißt es im Gerichtsbeschluss, den netzpolitik.org einsehen konnte, der Beschluss wolle „keinesfalls eine Teilnahme der Antragsgegner an der politischen Meinungsbildung oder Kritik an Parteien“ unterbinden. Es sei aber „nicht zulässig, gefälschte Nachrichten (sog. ,,Fake News“), die als solche nicht ohne weiteres erkennbar sind, zu verbreiten, und hierdurch gezielt den falschen Eindruck offiziellen Behördenhandelns zu erwecken und das Vertrauen in eine seriöse und verlässliche Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung und generell in eine verlässliche Berichterstattung“ zu erschüttern suchen.

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„Damit kein Seppel die Kunst mit der Realität verwechselt“

Der Anwalt Till Kreutzer sagt gegenüber netzpolitik.org: „Das Gericht stellt darauf ab, dass die Erkennbarkeit des Fakes zu subtil ist.“ Diese Grundsatzfrage sei angesichts der technischen Entwicklungen enorm wichtig, da Deepfakes tatsächlich eine Gefahr für die politische Kommunikation seien können, so Kreutzer weiter. In diesem Fall habe das Gericht in seiner Entscheidung nicht die Kunst- und Meinungsfreiheit, sondern die Integrität von öffentlichen Organen wie der Bundesregierung in den Vordergrund gestellt.

Das Zentrum für politische Schönheit hat angekündigt, gegen die Entscheidung Rechtsmittel einzulegen. Notfalls werde man bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, um diesen Angriff auf die Kunstfreiheit zurückzuweisen. Ein Sprecher des ZPS sagt gegenüber netzpolitik.org: „Bundeskanzler Scholz scheint mittlerweile alles zu verwechseln.“ Millionen Menschen würden fordern, dass er ein Verbot der AfD in Karlsruhe beantragen soll. Stattdessen habe er nun das Verbot eines Videos zum AfD-Verbot vor einem Gericht beantragt: „Scholz will, dass vor jedem Kunstwerk ‚Kunst‘ steht, damit kein Seppel die Kunst mit der Realität verwechselt.“

7 Ergänzungen

  1. Könnt ihr mal nachfragen / recherchieren, wie dies zu der Bild-Werbung mit Pseudo-Scholz-O-Ton passt? Würde mich interessieren, wo da der Unterschied liegt.

  2. „… Vertrauen in eine seriöse und verlässliche Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung und generell in eine verlässliche Berichterstattung“

    Seriöse und verlässliche Öffentlichkeitsarbeit? Der größte Klops des Tages! Spätestens seit der Groko fehlt es unseren Regierungen bei sehr vielen Themen an Transparenz.
    Die Richter hätten hier nur nachlesen müssen und wären auf die Idee gekommen, dass die Regierungen gar kein vermeintliches „Deep Fake“ benötig(t)en, sondern ganz allein an dem Image der Intransparenz basteln.

    1. Jaja, das „alle luegen, also sind unsere Luegen kein Problem“ Narrativ und die „flooding the zone with shit“ Strategie von Steve Bannon. Damit zerstoert man jeglichen Diskurs und damit Konsensfindung jenseits vom Recht des Staerkeren.

  3. Die Intransparenz des Handelnden kann man doch nicht damit lösen, das man Ihm Aussagen unterschiebt. Die Merkmale an der ich das Fake erkennen soll, mutet dem Betrachter schon einige Kompetenz zu und ein systematisches Analysieren der Information zu. Die Technologien bieten viele Chancen für die Zukunft, hier entsteht aber Missbrauch gegen die Allgemeinheit. Sollen also nur Menschen die entsprechendem Detailwissen diese Informationen sehen dürfen. Die Gesellschaft muß die Empfänger von Informationen im öffentlichen Raum vor Falschinformationen schützen. Der Ersteller darf nicht vorgeben, an welchem Aspekt man sein Fake erkennen könnte.

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